Um es gleich vorwegzunehmen: Stress ist ursprünglich ein neutrales Wort, weder positiv noch negativ belastet. Unter dem Begriff Stressreaktion verstehen wir ganz einfach die Fähigkeit des menschlichen Körpers, mit Belastungen umzugehen. Sie ist eine Kombination von charakteristischen Abläufen im Körper, die dazu dienen, Energie zu mobilisieren, Wachsamkeit zu erzeugen und Körper und Geist unmittelbar überlebenswichtige Verhaltensweisen zu fokussieren.
Wenn im Körper Blutdruck und Herzfrequenz steigen, Hormone wie Cortisol und Adrenalin ausgeschüttet werden, der Atem tiefer geht, befinden wir uns in einer extremen Stresssituation. Alle Sinne sind aufs Äußerste geschärft, um im Augenblick die richtige Entscheidung zu fällen. Die Stressreaktion ist also durchaus physiologisch. Mehr noch, sie führt sogar zu einer Intensivierung des Lebensgefühls. Ihr Entdecker, der große Mediziner und Physiologe Hans Selye, pries den Stress als „Würze des Lebens“. Doch von ihm stammt auch eine weitere wichtige Begriffsbildung, die heute weitgehend verlorengegangen ist. Selye unterschied nämlich Eu-Stress und Dis-Stress. Wobei Eu-Stress jene Art von Belastung ist, die von der Natur vorgesehen ist und mit den geschilderten, essenziellen Reaktionen des Körpers beantwortet wird. Bei Dis-Stress handelt es sich dagegen um Überbelastungen, chronische, schleichende, konstant bohrende, mit denen das biologische Programm des Körpers überfordert ist und die eine Überreaktion provozieren.
Dis-Stress-Faktoren gibt es bekanntlich viele: Straßenverkehr, berufliche Überforderung, Angst vor dem sozialen Abstieg, mieses Arbeitsklima. Verdünnen können wir aber die „Kampf-Hormone“ durch die „Freude-Hormone“, die Endorphine. Und die lassen sich in unserem Körper durch alles erzeugen, was uns Freude bereitet und gut tut! Sei dies eine Wanderung in schöner Landschaft, ein gutes Essen, eine inspirierende Liebesbeziehung…und natürlich Sport – alles exzellente Maßnahmen, die den Dis-Stress eliminieren kann.
Fazit: Der Mensch braucht ein gewisses Maß an Stress. Wobei entscheidend ist, welche Qualität der Stress hat. Wir müssen explizit zwischen negativem Dis-Stress und positivem Eu-Stress entscheiden. Dis-Stress ist auf Dauer schädlich und lebensbedrohlich, während Eu-Stress vitalisierend und lebensnotwendig ist.
Rolf Burmester