Schiller ist „ansteckend“

Friedrich Schiller (1759-1805) ruft spezielle Erinnerungen an meine Schulzeit wach. Mein Deutschlehrer Weber war besessen von dem großen Weimarer Klassiker und deutschen Nationaldichter Friedrich Schiller. Die vier Strophen „Sehnsucht“ konnten wir bereits im Schlaf aufsagen. Wer wie ich in Deutsch gut abschneiden wollte, musste sich für Schiller interessieren. – Aber manchmal muss man eben zu seinem Schiller-Interesse gezwungen werden, zumal alles, was nicht gerade trivial war, Anfangshürden bei uns Schüler fabrizierte.

schiller_buchWer eine von Schillers Biographien liest, wird von seiner gewaltigen Schaffenskraft überwältigt. „Sein Leben und sein Tod gleicht dem des Fackelläufers, der in sich verzehrt, aber mit brennendem Licht ans Ziel kam, sterbend hinstürzte und so stürzend und so sterbend ein ewiges Sinnbild bleibt.“ Die Worte, vor hundert Jahren niedergeschrieben von Hugo von Hofmannsthal, bezeichnen mit dichterischer Kraft das furchtbare Ringen Schillers mit den Praktiken absolutistischer Despoten und, während des letzten Drittels seines kurzen Lebens, mit einer Krankheit, der er trotz unsagbarer Leiden seine bedeutendsten schöpferischen Leistungen abzuringen vermochte.

Unvergängliche dichterische und philosophische Werke haben Schiller unmittelbar nach seinem Tode zum beliebtesten deutschen Dichter gemacht. Geboren wurde er am 10. November 1759 in Marbach als Sohn eines herzoglich-württembergischen Offiziers. Nachdem er in Lorch und Ludwigsburg anscheinend eine glückliche, idyllische Kindheit verbringen durfte, veränderten sich in seinem vierzehnten Lebensjahr die Dinge schlagartig. Der württembergische Herzog Karl Eugen hatte zur Rekrutierung von geeignetem Offiziers- und Beamtennachwuchs aufgerufen. Am 16. Januar 1773 lieferte Hauptmann Schiller seinen Sohn in der bei Stuttgart gelegenen „Solitude“ ab.

Sieben prägende Jahre lang war Schiller in das Korsett penibelster schulischer Ordnung gepresst, es gab keine Schulferien, keinen Urlaub, kaum freie Stunden. Es waren sieben Jahre der militärischen Disziplin, der Entwürdigung und der Demütigung. 1780 konnte Schiller dann endlich auf ein abgeschlossenes Medizinstudium zurückblicken, praktizierte noch zwei Jahre als Regimentsmedikus in Stuttgart.

Das Gefühl, vieles versäumt zu haben, ließ ihn ein Leben lang nicht los. Seine beispiellose geistige Dynamik erwuchs daraus, aber auch stetige Unrast. Sein äußerer Lebensraum war klein. Nie hat er die Schauplätze seiner Dramen: Frankreich, Schottland, die Schweiz, Italien, gesehen, niemals am Meer gestanden. Seine Hauptschaffensorte waren Jena und Weimar, die beiden Städte, in denen er als Universitätsprofessor, Theatermann und Autor lebte, eine Familie gründete und wo die Begegnung und Arbeitsfreundschaft mit Goethe sein Leben stark beeinflusste. Trotz diverser äußerer Eingeschränktheiten verstand Schiller zu leben, machte notfalls Schulden, um seine Vorstellung von einer „bürgerlichen und häuslichen Existenz“ umsetzen zu können.

Damit Sie, lieber Leser, noch weiter die ansteckenden Lebensspuren von Schiller verfolgen können, möchte ich Ihnen die spannende Schiller-Biographie von Sigrid Damm „Das Leben des Friedrich Schiller – Eine Wanderung“ des Insel Verlages empfehlen.

Fazit: Schiller war ein so produktiver Dichter, dass seine Werke schier unendlichen Stoff nicht nur für Redewendung, sondern auch für Scherze bereithalten. Aus dem Gedicht „Die Glocke“ stammen die Zeilen über die Gefahren, die drohen, wenn die Glocke nicht mit Vorsicht gegossen wird und das Erz aus der Form austritt: „Wo rohe Kräfte sinnlos walten, Da kann sich kein Gebild entfalten….“

Rolf Burmester

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